Von Sebastian Grayer, Jänner 2023
Sieglind Demus lebt nach längeren Auslandsaufhalten seit 2013 wieder in der Draustadt Villach, wo sie geboren wurde. „Über die journalistische Arbeit bin ich in das literarische Schreiben eingestiegen, arbeite also als freie Autorin. Autorin war ich schon als Journalistin, dort war meine Expertise gefragt, jetzt darf ich meiner Fantasie freien Raum geben“, so die Preisträgerin. Mit ihrem Text „Bereit für mehr“ erhielt sie den mit 2.000 dotierten „Hauptpreis des Landes Kärnten für Prosa“ verliehen. Derzeit arbeitet sie an einem Jugendbuch für Erwachsene, das im Frühsommer im Hermagoras-Verlag erscheint. „Ich wünsche mir für alle Menschen, die für die Kunst leben Anerkennung und Wertschätzung auf allen Ebenen, dass die Öffentlichkeit den Aufwand und Enthusiasmus honoriert. Aber das trifft auch auf viele andere Berufe zu“. Ihre erste eigenständige Veröffentlichung realisierte sich im Buch „Begegnungen können dein Leben verändern ... oder auch nicht“, das im Hermagoras-Verlag erschienen ist. „Es versammelt Kurzprosa und Fotografien die besondere Begegnungen und den Einfluss auf den Lebensweg beleuchten. Als Fortsetzung erschien, ebenfalls bei Hermagoras der Band ‚Und die Liebe?‘“. Ebenso veröffentlicht Demus regelmäßig in Anthologien.
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(c) Thomas Hude |
Nährboden für Kreativität
Für Demus ist es nicht ausreichend, Inspiration und Ideen zu haben, diese gilt es vielmehr mit Beharren zu verfolgen. „Kreativität braucht für die Umsetzung in jedem Beruf und bei jedem gestalterischen Handeln ein Fundament, bzw. Handwerk. Ich bin nach der Fertigstellung eines Textes jedes Mal wieder auf einen Anfang zurückgeworfen und beginne von Neuem. Diese Prozesse sorgen in meinem Beruf für Spannung“, meint die Villacherin. Die Motivation zum Schreiben verortet sie selbst im inneren, es lässt sich für sie schwer beschreiben. „Dort wo keine Glut ist, kann niemand ein Feuer entfachen. Insofern lässt es sich nicht beschreiben. Finanzielle Vorteile oder gar Reichtum, ein Haus am Wörthersee sind bei diesem Beruf eher die Ausnahme und taugen als Motivator nicht“, ist Demus überzeugt, die das Wort „und“ als eines ihrer Lieblingswörter bezeichnet. „Denn selten ist ein Gedanke nach einem Punkt beendet“.
Das Entwerfen mit Worten
Die Faszination für das Schreiben liegt bei ihr in dem Entwerfen eines Kosmos mit Worten und diesen beliebig auszugestalten. Doch es reicht noch weiter. „Für eine Zeit in eine andere Realität einzutauchen. In Abgründe zu schauen, ohne sich dabei weh zu tun. Mich auf sozialkritische Themen einzulassen und Menschen darauf aufmerksam zu machen“, erklärt sie. Ihr Siegertext „Bereit für mehr“ formte sich über einen längeren Zeitraum, die einzelnen Worte und Sätze hat Demus immer einer Überprüfung unterzogen und bewegt. „Überhaupt bin ich eine sorgfältige Schreiberin und nehme mir die Zeit, die ein Text von mir abverlangt“, verrät Demus. Ein guter Text ist für sie wohl einer, der Bestand hat. „Das stellt sich jedoch erst Jahre später heraus.“ Notizen macht Demus überall, auch in jenen Situationen, wenn sie unterwegs und auf Reisen ist. „Die tatsächliche Schreibarbeit und Überarbeitungen jedoch erledige ich konzentriert am Arbeitstisch.“ Die Reisen in exotische Landschaften inspirieren sie, dazu kommen auch die unterschiedlichen Kulturen, Begegnungen mit Menschen und die stattfindenden Gespräche. „Diese Atmosphären bereichern meine Texte. Meist verbinde ich die Reisen mit Recherche für ein aktuelles Projekt.“ Erst dann, wenn ihre Texte fertig sind, gibt Demus sie aus der Hand. Bei ihren Büchern ist es Hanzi Fillipic vom Hermagoras-Verlag, der ihre Werke zuerst liest. „Das Angebot, neue Texte vor Publikum zu lesen und zu diskutieren bietet der 'poe:Tisch'. Eine lose Zusammenkunft und eine Plattform von Schreibenden für Schreibende.“
Ihr Text „Bereit für mehr“
Das Thema der Ausschreibung des Kärntner Schriftstellerverbands lautete „Utopia“. In ihrem Text geht es um die Notwendigkeit, aus dem eigenen Geburtsland zu fliehen. Weiters geht es um die Hoffnungen, Träume und Wünsche, um die Schläge auf dem Weg in das fremde Land, in dem sich Flüchtende Frieden und Aufnahme erhoffen. „Es geht auch um Sehnsucht, um die Solidarität mit den Sängerinnen, die in ihrer Heimat nicht auftreten dürfen, um Stürze und um das Aufstehen, um schließlich erneut ein Seil zwischen Dächern zu spannen, die Arme auszubreiten und vor Glück zu tanzen.“ Gernot Ragger hielt die Laudatio im Rahmen der Verleihung. „Das Schöne an dem Preis ist die Anerkennung meiner Arbeit, die Bereitschaft der Jury und Gäste, sich mit einem anspruchsvollen Text und Thema auseinanderzusetzen. Reich beschenkt hat mich die Laudatio von Verleger Gernot Ragger, der die Geschichte hinter den Metaphern klar erkannte.“ Am Abend der Verleihung nahm sie die kollektive Freude in sich auf und damit auch die vielen Beglückwünschungen durch die Kolleginnen und Kollegen sowie des Publikums. Das berührte sie sehr.
Entstehungsursprung von „Bereit für mehr“
Den Ursprung nahm der Text am Gedanken an jene flüchtenden Menschen, die sich von europäischen Ländern Schutz erhoffen und in Nato- und Stacheldrahtzäune laufen. Daran anschließend dachte Demus an die Menschen, die ihr eigenes Leben und somit auch ihre Zukunft fremden Menschen anvertrauen müssen und in weiterer Folge überhaupt erst lernen müssen, Misstrauen, Vorurteilen, Vorwürfen und Bürokratie zu begegnen. „Es geht um die Menschen die wir schlecht behandeln, um abzuschrecken, um Menschen die jahrelang auf ein gerechtes Asylverfahren warten und hoffen und oft genug weiterhetzen, innerhalb Europas fliehen müssen, um Abschiebungen und der Ermordung im Heimatland zu entgehen. Dabei stellt sich mir die Frage, was wir bei all dem an die nächsten Generationen weitergeben, was für Vorbilder wir abgeben, welchen Fragen wir uns durch unsere Kinder und Enkelkinder werden stellen müssen und was wir uns und unserer Gesellschaft mit dieser Angst vor Fremdem und dem Verlust unserer Komfortzonen, antun.“
Der beste oder die besten Momente
Der beste Moment – dieser ergibt sich bei jedem Leser und bei jeder Leserin individuell. Dieser hängt wohl auch mit den eigenen Erfahrungen und Kenntnissen ab, die an den Text herangetragen werden. „Für mich ist jeder Satz ein starker Moment. Freude habe ich natürlich besonders an den positiven Passagen, in denen mein Protagonist aufsteht, dem Todesengel Azrael entkommt, der Moment, als er endlich einen positiven Bescheid bekommt und die Menschen auf den Plätzen ihn, wenn auch verhalten, willkommen heißen, der Moment, wo er tanzt, von einer Geliebten träumt, die in dem Text das Synonym für Freiheit bekleidet.“
Kärnten ist wohltuend
Für sie gilt es als ein Privileg in Kärnten zu leben und zu arbeiten. „Das Land ist reich an Trinkwasser und Sonnenstunden, an Badeseen und bewaldeten Gebieten. Den Blick von den Berggipfeln ist wohltuend und er verweist mich, ob meiner Winzigkeit, immer wieder an meinen Platz. Ich habe mich ganz bewusst für diese Gegend entschieden“, erklärt die Preisträgerin. Was Demus als erstes getan hat, als sie von der Verleihung nach Hause kam? Sie hat sich den Blumen gewidmet. „Als erstes habe ich die Blumen versorgt, sie angeschnitten und ins Wasser gestellt, einen prominenten, kühlen Platz gewählt, so dass sie in meinem Blickfeld waren. Sie haben es mir mit langer Haltbarkeit gedankt.“
Individuelle Wege und ihr Lesekanon
Demus maßt sich nicht an, anderen Autorinnen und Autoren Ratschläge zu geben. Sie erkenne die Leistung eines jeden anderen und einer jeden anderen an. Dabei spiele es keine Rolle, ob das Geschriebene breite Aufmerksamkeit findet oder im Verborgenen blüht. „Jede Autorin, jeder Autor geht einen individuellen Weg, allgemeine Ratgeber sind nicht angebracht oder zielführend.“ Den Roman „Geschichte des Wassers“ von Maja Lunde sollte aus Sicht der Autorin jeder gelesen haben. Etwas schwieriger gestaltet es sich bei ihren Lieblingsbüchern und -autoren. „Das ist meist das jeweilige Buch, das ich gerade lese. Im Moment ist das 'Agrigato' von Ursula Wiegele, eine Schriftstellerin die vier Jahre vor mir den Kärntner Landespreis für Prosa erhielt.“ Die Neuerscheinungen von Herta Müller, Reinhard Kaiser-Mühlecker und Michael Köhlmeier besorgt sie sich immer umgehend.