Wenn das Erzählen gegen Armut hilft | Lisa Höllebauer

Lisa Höllebauer (28) ist Germanistin und Liebhaberin des Klagenfurter Bachmann-Preises. Ich sprach mit der Studentin über ihr Literaturprojekt „Erzählen gegen Armut“, das dem Projekt „Kinder auf der Flucht“ des SOS-Kinderdorfs zugutekommt.

Von Sebastian Grayer, August 2022

Jährlich finden im Juni die „Tage der deutschsprachigen Literatur“ im ORF-Landesstudio in Klagenfurt statt. Heuer überzeugte Ana Marwan mit ihrem Text „Wechselkröte“ die siebenköpfige Jury und erhielt den mit 25.000 Euro dotierten Ingeborg-Bachmann-Preis. Im Publikum saß auch die literaturbegeisterte Lisa Höllebauer und verfolgte das Wettlesen. Die 28-jährige Master-Studentin der Germanistik an der Universität Graz kann bereits selbst auf eigene Literaturprojekte zurückblicken. Höllebauer rief zusammen mit Tamara Markel den Literaturwettbewerb „Wir sind lesenswert“ ins Leben. Und im Juni präsentierte sie als Herausgeberin ihr erstes Buch mit dem Titel „Erzählen gegen Armut“. Für ihren Erzählband konnte sie renommierte Autoren gewinnen, wie Valerie Frtisch, Lisa Krusche, Clemens J. Setz oder Barbara Zeman. Der Erzählband liegt in der Bibliothek der Arbeiterkammer in Klagenfurt und in der Mediathek in Völkermarkt zur Ausleihe auf.

(c) Wir sind lesenswert
(c) Wir sind lesenswert

Ihr Weg zur Germanistik

Die gebürtige Steirerin aus Lannach im Bezirk Deutschlandsberg absolvierte die HLW, ehe sie sich für das Studium „Journalismus & Public Relations“ an der Fachhochschule zu interessieren begann. „Ich wollte eigentlich an die FH, arbeitete dann jedoch ein Jahr bei einer regionalen Zeitung und schließlich vier Jahre lang bei der Gemeinde Lannach“, blickt Höllebauer zurück. Erst dann verspürte sie den Wunsch, ein Studium an der Universität zu beginnen. „Damals inskribierte ich mich für das Studium der Sprachwissenschaften und dann kam noch Germanistik hinzu, als ich ein Praktikum am Institut für Germanistik machen wollte. Beide Studien schloss ich mit dem Bachelor ab“, erzählt die 28-Jährige, die gerade ihren Master in Germanistik macht und in einer Modeboutique arbeitet. In ihrer Masterarbeit geht sie der Frage nach, welche innovativen Lesungsformen im Literaturbetrieb existieren.

Engagement im Literaturbetrieb

Einen Großteil ihrer Freizeit widmet sie sich begeistert dem Literaturbetrieb und ist auch darüber hinaus in der Literaturszene sehr aktiv. „Wenn es die Zeit zulässt, dann bin ich wirklich wöchentlich im Literaturhaus Graz anzutreffen“, lacht die 28-Jährige. Zur Zeit ist Höllebauer in der Produktion des Projekts „The longest Way around. Eine Grazer Odysee“ des Autorenkollektivs „Die Plattform“ tätig. Sie veranstaltet auch den „Writers in Climate (Crisis)“ – Workshop, wo Texte zum Thema „Klima“ entstehen, die im Oktober bei einer Lesung präsentiert werden. Obwohl sie auch gerne selbst schreibt, sieht sich Höllebauer jedoch woanders. „Ich fördere lieber Autoren, arbeite so gerne im Hintergrund und entwickle neue Literaturprojekte für Menschen“, erklärt sie. Beruflich befindet sich die Studentin am Weg zu einer Literatur- und Kulturvermittlerin, die verschiedene Facetten der Literatur zeigen und Projekte umsetzen möchte.

Idee hinter „Erzählen gegen Armut“

Die Idee für das Buch „Erzählen gegen Armut“ entstand im Jahr 2020 anlässlich eines erschütternden Ereignis. „Die Nachricht, die zur Jahreswende 2020/21 durch die Medien ging, Kinder müssten sich im Flüchtlingscamp Moria davor fürchten, nachts von Ratten gebissen zu werden, erschütterten mich neben den Bildern aus Moria sehr“, erzählt Höllebauer. Daraus entstand der Wunsch, mit einem Erzählband Spenden für Kinder und Jugendliche zu sammeln. „Mit dem Projekt waren Hochs und auch viele Tiefs verbunden, ich unterschätzte das Projekt auch an manchen Stellen. Dahinter steckt also jede Menge Arbeit, die sich am Ende mehr als auszahlt“, freut sich die 28-Jährige. Alle Einnahmen des Erzählbands fließen in das Hilfsprojekt „Kinder auf der Flucht“ des SOS-Kinderdorfs, womit individuelle Unterstützung wie Deutschkurse und psychologische Betreuung finanziert werden.

Zwölf Autoren, zwölf Texte und ein Buch

Öffnen Leser den Erzählband, so blicken sie auf eine Aufzählung von insgesamt zwölf Autoren, die jeweils einen Text zum Buch zur Verfügung stellten. Dabei schweift der Blick auch über renommierte und angesehene Schriftsteller, die weit über die Grenzen Österreichs bekannt sind. „Ich war so überrascht und verspürte eine solche große Freude, als ich so angesehene Autoren wie Clemens J. Setz für das Projekt gewinnen konnte“, erzählt Höllebauer, die am Beginn damit startete, Autoren über Social Media anzuschreiben. Mit der Zeit erklärten sich zwölf Autoren bereit, einen Text zu verfassen oder bereits geschriebene Zeilen rauszusuchen und Höllebauer zur Veröffentlichung bereitzustellen.

Im Mittelpunkt: Literatur aus Österreich

Ihre Beziehung zur Literatur bezeichnet Höllebauer als schwierig. „Ohne Literatur geht es bei mir wirklich nicht, obwohl viele meinen, es wäre manchmal doch gut“, lacht die Studentin. Ihre Begeisterung für österreichische Literatur, an der sie die örtliche Nähe und das Eintauchen in diese sehr schätzt, begann sich schon in ihrer Kindheit abzuzeichnen. „Ich wuchs auf einem Bauernhof auf und las in der Kindheit alles, was ich daheim finden konnte. Dann führte mich der Weg schnell zur Bibliothek“, erinnert sich Höllebauer. Zu ihren Lieblingsautoren zählen neben Clemens J. Setz und Monika Helfer auch der deutsch-bosnische Autor Saša Stanišić. Sie lässt sich aber auch von neuen Autoren gerne überraschen. „Wenn Jugendliche den Weg zu ernsthafter Literatur finden möchten, dann kann ich ihnen das ‚Tagebuch der Anne Frank‘ ans Herz legen“, sagt die 28-Jährige.

Regelmäßig in Kärnten

Im Winter kommt Höllebauer regelmäßig ins Lavanttal auf das Klippitztörl zum Schifahren. Auch Verwandte hat sie in Kärnten, ihre Tante kommt aus Bad St. Leonhard. „Heuer war ich schon öfter als gewöhnlich in Kärnten. Ich liebe dort neben dem Klippitztörl auch das Loretto-Bad in Klagenfurt“, sagt sie. Weil ihr Freund aus Tirol kommt, ist bei der Durchreise nach Lienz stets ein Halt am Klagenfurter Bahnhof eingeplant. „Dort habe ich die Bäckerei und ihre Mehlspeisen sehr gut in Erinnerung“, schmunzelt Höllebauer. In Zukunft würde sie sich darüber freuen, wenn sie auch in Kärnten Lesungen veranstalten könnte.

Stellenwert von Kultur

Während bei ihr in nächster Zeit das Weiterarbeiten an der Abschlussarbeit ansteht, erhält Höllebauer zusammen mit Lisa Schantl ein Stipendium vom „Kunstraum Steiermark“. Damit kann eine geeignete Räumlichkeit für zwei Jahre für die Kulturarbeit genutzt werden. Jungen Menschen rät Höllebauer, sich nicht von Enttäuschungen und Niederlagen unterkriegen zu lassen. „Mutig und hartnäckig zu sein, sich auszuprobieren und an Träume festzuhalten – das möchte ich gerne weitergeben“, sagt die 28-Jährige. Im „KLiCK Kärnten“-Gespräch lässt Höllebauer auch mit einem Appell aufhorchen: „Mit meiner Arbeit möchte ich auch zeigen, wie wichtig Kultur ist und das sie imstande ist, neue Perspektiven zu eröffnen. Vor allem geht es darum, Kultur bewusst zu konsumieren.“

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