„Du nimmst von überall was mit“ | Stella Christl
Sie ist in Wien geboren, in Frankfurt aufgewachsen und dann nach Kärnten gekommen. Die 22-jährige Stella Christl holt sich ihre Inspiration für Texte aus dem unmittelbaren Leben - sie ist eine aufmerksame Sammlerin von Begebenheiten.
Von Sebastian Grayer, August 2025
Sie passt gut ins Bild, höre ich mich denken. Wie die 22-jährige Stella „Raven“ Christl ihren linken Arm auf Höhe ihrer Taille anlegt, der rechte Arm hängt nach unten, dicht am schwarz-weiß halbierten Oberteil. Die Harre ebenso schwarz, aber kurz, die Lippen auffallend rot und gepierct, und zwei Strähnen ihres Haars reichen ihr beinahe in die dunklen Augen. Und der Fotograph Michael Grilz drückte ab. Dieses Bild entstand im Frühjahr nach dem gemeinsamen Auftritt bei der Szenischen Lesung mit Erwin Neuwirth unter dem Titel Sibirien, die unter der Regie von Christl im STEP in Völkermarkt anlässlich des Weltfrauentags (8. März) stattfand. Sie präsentierte ihren Text All die fallenden Sterne über die Selbstaufgabe, die Abgrenzung und das Wiederentdecken der Selbstliebe - auch in Bezug zur unbezahlten, gering geschätzten Pflege-Arbeit der Frauen. Zum Abschluss gab es eine Diskussionsrunde zum Thema der Care-Arbeit von Frauen, geleitet von Christl, Neuwirth und Julia Reinprecht.
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(c) Michael Grilz |
Von Wien nach Frankfurt, von Klagenfurt nach Amsterdam
„Ich wohne jetzt in Klagenfurt. Bin schon viel herumgekommen. Ich bin in Wien geboren, in Frankfurt aufgewachsen und dann, sagen wir mal, vor 10 Jahren nach Kärnten.“ Zurzeit studiert die 22-Jährige noch an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt Germanistik, ehe es für sie mit dem Fachbereich der Forensischen Linguistik in Amsterdam (Niederlande) weitergeht. Dass sie also auch in Zukunft viel herumkommen wird, das steht fest. „Ich habe vor allem immer das Gefühl gehabt, dass ich besser schreiben als reden kann“, meint sie mit einem Grinsen im Gesicht. Für sie sei das Schreiben geradezu eine Methode, um das oft in seinen Facetten ausufernde Leben zu verarbeiten, oder überhaupt in ästhetische Bahnen zu bringen.
„Ich muss es einfach machen“
Die Inspirationen für ihre Texte kommen daher aus dem Leben. Es sind Geschichten, die sie selbst aufschnappt oder die ihr erzählt werden. „Du nimmst irgendwie von überall halt was mit. Und ich finde, meine Geschichten sind immer so Mosaike eigentlich von Begebenheiten, die passieren in meinem Umkreis, in meinem Bekanntenkreis, wie auch immer.“ Und wie kann man sich ihr Schreiben nun vorstellen? Das sei nicht leicht in Worte zu packen, sagt ihr kreativer Kopf. „Ich habe oft gar keine Text-Idee, sondern ich fange oft mit Ausschnitten an. Ich bin da eine Sammlerin. Wenn ich in einem Stück einen schönen Satz höre oder irgendwie auf der Straße abends oder ich lese es irgendwo – dann sammle ich das.“ Oft seien es auch einfach kurze Überlegungen. „Und irgendwann füge ich das alles zusammen.“ Eine schwere Frage sei es auch, was sie antreibt. „Weil ich das Gefühl habe, ich muss es einfach machen.“
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(c) Michael Grilz |
Momentan merke sie, dass sich immer mehr lautere Gegenstimmen gegen politische Kunst gebe. "Irgendwie, dass die Leute sich aufregen, weißt du, etwa wie 'das sollte nicht so politisch sein'." Denen möchte die junge Frau entgegnen, dass Kunst schon immer politisch gewesen sei.
Für mehr Sicherheit im Netz
Das mag jetzt etwas schräg klingen, aber Christl interessiert sich nicht nur für Sprach-Arbeit, sondern engagiert sich auch im Bereich der schon erwähnten Forensischen Linguistik, die an der Schnittstelle von Sprache, Gesetz und Verbrechen liegt. Sie beteiligt sich an einem Projekt für mehr Sicherheit im Netz. "Und was wir da im Endeffekt machen, ist, uns auf einschlägigen Plattformen als Minderjährige auszugeben und mit potenziellen Pädokriminellen zu schreiben. Und wenn die sich strafbar machen, dann damit die Behörden zusammenarbeiten", erklärt die 22-Jährige, "das ist auch ein Teil meiner Bachelorarbeit." Bei dieser sammelt sie deutschsprachige Internet-Chats, um diese zu analysieren. "Basierend auf den Analysen kann man dann Sprachmuster-Erkennungsprogramme wie auf Instagram für Hate Speech machen."
Inzwischen arbeite man schon mit mehreren Polizeidienststellen und der Kriminalpolizei in Deutschland zusammen - so auch mit der Polizei in Klagenfurt, "weil wir hatten auch schon einen Österreicher unter den Kriminellen. In zweieinhalb Monaten haben wir elf Pädokriminelle ausliefern können, und zwei davon waren Wiederholungstäter."