Blättern. Ein Raum für grenzenlose Nachwuchsliteratur | Lisa Höllebauer und Lisa Schantl

Lisa Höllebauer und Lisa Schantl sind „Kunstraum Steiermark“-Stipendiatinnen 2023/24 und haben kürzlich zu der Eröffnung ihres Literaturraums „Blättern. Raum für grenzenlose Nachwuchsliteratur“ geladen. Ich folgte ihrer Einladung in die Grazer Gartengasse 28.

Von Sebastian Grayer, April 2023

Für den jungen Grazer Literaturkosmos sind Lisa Höllebauer und Lisa Schantl ein absoluter und nicht zu verzichtender Mehrwert. Ihr schöpferischer Reichtum an innovativen Ideen innerhalb des Grazer Literaturbetriebs kennt nämlich keine Grenzen. Es scheint vielmehr so zu sein, als ob die Grazerinnen das Attribut „grenzenlos“ der Literatur leidenschaftlich ernst nehmen und dieser Auffassung in ihrer Arbeit vehemente Konsequenz zu Teil wird. Ihrer so in vielen Richtungen ausstrahlenden Perspektive auf Literatur folgend, setzen sie nun im Rahmen ihres „Kunstraum Steiermark“-Stipendiums 2023/24 einen weiteren Schritt bei ihrer Kulturarbeit und eröffnen einen kleinen großen Platz in diesem Literaturbetrieb: Ein besonderer Platz für alle.

(c) Sebastian Grayer
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In der Gartengasse 28 ist alles im Werden

Mit „Blättern. Raum für grenzenlose Nachwuchsliteratur“ erschaffen die beiden in der Gartengasse 28 (8010 Graz) einen vielversprechenden Ort für Literatur und insbesondere ihrer grundsätzlichen Vermittlung in den nächsten zwei Jahren. Doch bis es so weit ist, wird noch ein wenig geträumt: Vor ihrem Literaturbüro eingetroffen, standen die Besucher:innen dicht getrennt um die beiden Grazerinnen, die bekannt gaben, dass es wohl noch ein wenig dauern werde, bis sie in ihre Räumlichkeiten endgültig einziehen können. Der Grund: Es gab einige Verzögerungen bei den Renovierungen ihres Literaturbüros. Alles ist noch beständig im Werden und im Aufbau begriffen. Um den Prozess des Werdens nicht zu stören und ihm auch ein wenig Vertrauen zu schenken, aber ihn schon mal beim Voranschreiten von außen zu betrachten, wurde mit den Besucher:innen gemeinsam über die Zukunft geträumt und ein erster Einblick in das Vorhaben gewährt. So wurde ganz in der Nähe der Keller ihres „Nachbarn“, der „Bar 28“, verwendet und dort ihr Pop-Up-Literaturbüro mit großer Freude und Engagement vorgestellt. Gemeinsam wurde das Literaturbüro also auf diese Art fertig geträumt. Und nicht nur das: Die beiden baten auch um Leihgaben für ihr entstehendes Büro. So entschied ich mich für das Buch "Nachmittag eines Schriftstellers" von Peter Handke. Die Besucher:innen konnten sich ebenso vor Ort bei einem Gedicht beteiligen, welches durch das Hinzufügen von persönlichen Zeilen und Gedanken über den Abend hinweg heranwuchs.

(c) Sebastian Grayer
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Möglichkeitsraum für Nachwuchsliteratur

Um was es sich bei „Blättern“ genau handelt, das stellte Höllebauer zu Beginn kurz dar. „Als ‚Kunstraum Steiermark‘-Stipendiatinnen haben wir dieses Literaturbüro, wir nennen es auch gerne ‚Literaturraum‘, gegründet, wo wir Nachwuchsliteratur oder Leuten, die gerne schreiben, einen Raum bieten möchten, und auch einen für unsere Projekte und eben auch für alle, die sich für Literatur interessieren“. Damit wird ein gewaltiger Möglichkeitsraum für Literatur offengelassen, dessen Leerstellen, zwischen Pfählen ihrer schon festgelegten Vorhaben stehend, noch aufgefüllt werden müssen.

(c) blaettern_literaturbuero
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Geplant: Tag der offenen Tür

„Da wir jetzt irgendwie das Büro noch nicht eröffnen können, haben wir natürlich die Möglichkeit, dass wir auf all eure Wünsche eingehen können. Wenn ihr ein Anliegen habt, dann schreibt es gern auf und legt es hinein“, richtete Höllebauer die Aufmerksamkeit der Besucher:innen auf eine am Eingang platzierte Wunschbox hin. Auf jeden Fall wird es - sobald das Büro fertig renoviert ist - einen Tag der offenen Tür geben, der Mitte Mai stattfinden soll.

(c) Sebastian Grayer
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Bibliothek für Literaturzeitschriften

Ein ganz essentieller Teil ihres Literaturbüros wird eine Bibliothek mit Literaturzeitschriften sein. „Hier schauen wir, dass wir unabhängige Literaturzeitschriften, die auch ein bisschen kleiner sind, gut abbilden können“, erklärte Schantl. Bereits jetzt haben die beiden einige Zeitschriften zugesandt bekommen und diese auch vor Ort als Ansichtsexemplare mitgebracht. „In unserem Büro wird es dann auch – wenn wir mehr von den Zeitschriften bekommen – Exemplare zu kaufen geben“. Die Größe der Literaturwelt darf nicht unterschätzt werden und so kann es auch schon einmal vorkommen, dass bestimmte Zeitschriften erst über Umwegen ins Aufmerksamkeitsfeld rücken. Für diesen Umstand nehmen die beiden gerne Vorschläge für die Aufnahme von Zeitschriften entgegen.

Ihre Termine reihen sich dicht aneinander

Unabhängig voneinander – das können ebenso zahlreiche Grazer:innen bezeugen – haben Lisa Höllebauer und Lisa Schantl viele Literaturprojekte bereits auf die Beine gestellt. Dieses „viel“ spiegelt sich nun nicht nur in diesem gemeinsamen Projekt auf eine konzentrierte Art und Weise wider, sondern zeigt sich auch fragmentarisch in ihrem präsentierten Kalender, der selbstverständlich auch Teil ihres künftigen Literaturbüros sein wird. Sie leisten ja jede Menge Kulturarbeit, wie gesagt wird. „Wir haben uns gedacht, wenn heute schon einmal so viele Leute auf einem Raum zusammenkommen, muss man die Chance nutzen und paar Termine bekanntgeben, die demnächst anstehen“, blickte Höllebauer dabei auf den Kalender.

(c) Sebastian Grayer
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Lisa Schantls größtes Projekt ist „Tint Journal“, ein Online-Literaturmagazin für Autor:innen, die in Englisch in der Zweitsprache schreiben. In diesem Rahmen werden auch monatlich Schreibtreffen abgehalten, die von Schantl selbst oder von anderen Teammitglieder:innen moderiert werden. „Meistens ist es auch hybrid, das heißt wir haben Teilnehmer:innen wirklich aus der ganzen Welt dabei und sind in Graz vor Ort. Das macht es sehr abwechslungsreich“, so Schantl, die demnächst nach Amsterdam reist, um einen Literaturcontest zu moderieren. Weiter geht es bei Schantl mit der großen Freude, dass sie das erste „Tint Journal“-Treffen in New York machen kann. Wenige Tage später findet die Lesung „Tinted Tales“ im Grazer Ducks Coffeeshop statt, wo sie mit Grazer Autor:innen einen gemütlichen Abend mit englischer Literatur verbringen wird.

Lisa Höllebauer hingegen, die ebenso bei der Organisation des „Dramatikerinnenfestivals“ mithilft, fährt im April zur Leipziger Buchmesse und wird auf der Bühne eine Buchdiskussion moderieren. „Tamara Markel und ich haben gemeinsam den Literaturwettbewerb ‚wir sind lesenswert‘ gegründet – das war so mein Einstieg in die schöne Grazer Literatur-Blase – und dort ist der Einsendeschluss für Texte der 15. Juni. An alle, die noch nichts eingesendet haben, bis zum 15. Juni empfangen wir noch Texte zum Thema ‚Als der Schnee nicht taute‘.“

Höllebauer und Schantl sind im Juni ebenso im Literaturhaus Graz bei einer Gesprächsrunde zum Thema „Aussichten“ geladen. Auch dürfen die beiden wieder das Dramatikerinnenfestival starten, das passiert mit einem „Klimawalk“ mit den Texten von „Writers in Cimate Crisis“. Da gibt es aber noch einen Termin im Juli: Hier geht es in die nächste Runde von „Writers in Cimate Crisis“, denn da findet wieder jener Workshop statt, wo interessierte Schreiber:innen eingeladen sind, selbst Klimaliteratur zu verfassen, sei es auf Deutsch oder Englisch.

Ein Gedicht geht um die Welt

In einem Literaturprojekt haben die beiden das Gedicht „Guten Tag“ von Olja Alvir aus ihrem Gedichteband „Spielfeld“ herausgenommen und es in die weite Welt geschickt. „Das Gedicht geht von Sprache zu Sprache, und wir schauen, was dabei herauskommt“, sagte Schantl. „Das spannende an dem Projekt ist ja wirklich, wie weit das Ausgangsgedicht eigentlich noch erkennbar sein wird“, fügte Höllebauer noch hinzu.

(c) Sebastian Grayer
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Projekt "fort.setzen. 11 Autor:innen. 1 Erzählung"

Der zweite und abschließende Programmpunkt des Abends war die Vorstellung des Projekts „fort.setzen. 11 Autor:innen. 1 Erzählung“, das über das gesamte letzte Jahr gelaufen ist. „Wir haben Autor:innen aus unserem Umfeld, Bekanntenkreis angeschrieben, ‚habt ihr Lust, eine gemeinsame Geschichte einmal zu schreiben‘“, begann Schantl die Projektvorstellung. Unabhängig voneinander haben sich beide in den Grazer Stadtpark gesetzt und Soziolog:innen gleich beobachtet, was vor dem Forum Stadtpark so alles passiert. Die Beobachtungen wurden in weiterer Folge aufgeschrieben und daraufhin hat sich dann eine besondere Geschichte gesponnen. Die Aufgabe an jede:n Autor:in war, an den vorangegangenen Halbsatz anzuschließen und wiederum mit einem Halbsatz zu enden.

(c) Sebastian Grayer
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Zu Lisa Höllebauer, Lisa Schantl und Social Media

Ich habe Lisa Höllebauer bereits vor einiger Zeit zum Gespräch eingeladen. Das Gespräch ist online nachzulesen. Sie wurde 1994 geboren und studiert Germanistik in Graz. Höllebauer hat 2020 mit Tamara Markel den Literaturwettbewerb „wir sindlesenswert“ gegründet. Weitere Literaturprojekte: „Writers in Climate Crisis“ – ein Workshop mit Lesung zur Klimawandelliteratur, Herausgeberin von „Erzählen gegen Armut“ (Forum stadtpark 2022), Junger Literaturclub – Buchdiskussion auf der Leipziger Buchmesse 2023. Kunstraum Steiermark Stipendiatin 2023/24.

Lisa Schantl wurde 1994 geboren und Gründerin und Herausgeberin des ESL-Literaturmagazins „Tint Journal“ und administrativ sowie als Research Assistant für translinguale Literatur am „treffpunkt sprachen“ (Universität Graz) tätig. Zusätzlich ist sie freie Kulturorganisatorin (unter anderem „Writers in Climate Crisis“) und Übersetzungen erscheinen in mehreren Literaturzeitschriften im deutsch- und englischsprachigen Raum. Kunstraum Steiermark Stipendiatin 2023/24.

Ihr gemeinsames Literaturprojekt „Blättern. Raum für grenzenlose Nachwuchsliteratur“ wird durch einen Instagram-Account begleitet.

(c) Sebastian Grayer
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